Schon seit Jahren klagt die deutsche Wirtschaft über Nachwuchsmangel in den MINT-Fächern – und das trotz blendender Zukunftsaussichten und hoher Gehälter. Viele Eltern wünschen sich, dass die eigenen Kinder Interesse an Naturwissenschaften oder Technik zeigen, doch stattdessen beschäftigt sich der Nachwuchs lieber mit Puppen oder Malbüchern. Was können Eltern tun?
Kinder sind geborene Forscher
Die Abkürzung MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Weil ausgerechnet in der Tüftlernation Deutschland der Nachwuchs fehlt, versucht die Regierung schon seit einigen Jahren das Interesse an MINT-Fächern zu fördern. Doch der Grundstein muss bereits zu Hause in der Familie gelegt werden. So können Kinder früh lernen, dass Mathematik Spaß macht indem sie früh kleine Rechenaufgaben lösen lernen, mit ihrem eigenen Taschengeld umgehen lernen und mehr.
Das Interesse an Technik und Informatik lässt sich ebenfalls früh wecken: So können ein altes Smartphone oder ein alter Laptop auseinandergenommen werden, um das Innenleben zu begutachten. Das Kind lernt so, dass ein Smartphone nicht nur aus einem bunt blinkenden Schirm besteht und dass zahlreiche Einzelteile notwendig sind, um einen Computer zum Laufen zu bringen. In einem weiteren Schritt können Kinder dann lernen, dass das geliebte Candy Crush-Spiel eigentlich gar nicht so bunt und laut ist, sondern aus Codes besteht. Speziell für Kinder gibt es spannende Tools, die sie spielerisch ans Programmieren heranführen.
Die Naturwissenschaften sind ebenfalls ein spannendes weites Feld für die kindliche Wissbegierde. Stellen Kinder von sich aus oft noch neugierige Fragen, warum zum Beispiel der Himmel blau ist und wohin die Sonne am Abend geht, erlischt das Interesse meist im Schulunterricht, wenn Notenzwänge hinzu kommen und es Lehrern nicht gelingt, einen Bezug zwischen dem Unterrichtsstoff und dem „echten Leben“ herzustellen. Eltern wiederum trauen sich hier nicht viel zu – dabei ist es gar nicht schwer, das Interesse der Kinder zu wecken.
Kinder lieben Sterne – und Dinosaurier
Das Weltall übt seit Jahrhunderten eine ungebrochene Faszination auf die Menschheit an. Unzählige Kinder träumen davon, einmal Astronaut zu werden und Geschichten, die in fernen Galaxien spielen, wie die „Star Wars“-Saga, fesseln Groß und Klein seit Jahrzehnten. Das Interesse eines Kindes lässt sich schnell wecken. Warum nicht dem Kind zum Geburtstag einen Stern kaufen, der sein persönlicher Glücksstern ist und lebenslang über das Kind wacht? Mit dem eigenen Kinder-Teleskop kann das Kind seinen Stern am Nachthimmel beobachten und ihn bei einem Tagesausflug zum Planetarium sogar ganz aus der Nähe betrachten. Fast automatisch wird so auch das Interesse am Weltall an sich und damit an der Astronomie geweckt. Zugleich können Eltern die Sprache auf spannende physikalische Fragen lenken: Wie gelingt es einer Rakete, die Erdanziehungskraft zu überwinden? Warum verändert sich das Aussehen des Mondes ständig? Wie fühlt sich Schwerelosigkeit an? Tipp: Im Schwimmbad lässt sich Schwerelosigkeit unter Wasser am ehesten nachvollziehen.
Dinosaurier üben ebenfalls eine große Faszination auf Kinder aus – auch wenn sie meist mit Fabelwesen wie Einhörnern und Drachen in einen Topf geworfen werden. Auch hier lässt sich das Interesse des Kindes von einem bestimmten Gegenstand – dem eigenen Gummi-Dinosaurier – auf ein weites Feld lenken, nämlich der Urzeit und der biologischen Entwicklung der Arten. In ganz Deutschland gibt es Museen, die Dinosaurier spannend aufbereiten, zum Beispiel der Dinosaurierpark Münchehagen bei Hannover und das Naturmuseum Senckenberg in Frankfurt. Vielleicht beginnt das Kind als nächstes damit, Versteinerungen zu sammeln oder sich für die Entwicklung der Tiere von den Dinosauriern bis heute zu interessieren.
Naturwissenschaften zum Anfassen
Kaum eine größere Stadt in Deutschland kommt heute ohne ein Science-Center oder eine ähnliche Einrichtung aus. Anders als ältere Museen, bei denen Besucher nur durch Glas auf Exponate schauen können, laden Science Center ausdrücklich zum Ausprobieren und Experimentieren ein. Wie oft seufzen Kinder (und oft auch ihre genervten Eltern), dass Mathematik so gar nichts mit dem echten Leben zu tun hat? Das Mathematikum in Gießen belehrt sie eines Besseren: Anhand zahlreicher Ausstellungsstücke wird die Brücke zwischen mathematischen Formeln und dem echten Leben geschlagen. Manchmal sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Universalgenie Leonardo da Vinci entwickelte im späten 15. Jahrhundert eine Bauanleitung für eine stabile Brücke, die ganz ohne Leim, Nägel oder andere Hilfsmittel auskommt – weil sie nach bestimmten mathematischen Prinzipien erbaut wurde.
Es müssen nicht immer teure Ausflüge zu Museen und Science Centern sein. Der Alltag steckt voller naturwissenschaftlicher Phänomene. Welches Kind hilft Mutti nicht gerne beim Backen eines leckeren Kuchens? Aber weiß das Kind, warum Backpulver in den Teig gegeben wird? Wer es nicht weiß: Backpulver besteht aus Natron (genauer gesagt Natriumhydrogencarbonat) und einem Säuerungsmittel, die bei Hitze miteinander reagieren. Dadurch wird Kohlenstoffdioxid freigesetzt, wodurch sich kleine Bläschen bilden, die den Teig auflockern. So simpel und spannend kann Chemie sein – ein Fach, das im Schulunterricht leider allzu oft in dröger Theorie versandet, weil die Lehrer das Durchführen von Experimenten fürchten.
Physik und Chemie verschenken
Auch ohne dass das Kind zuvor Interesse an Naturwissenschaften angemeldet hat, kann sich ein Chemiebaukasten oder ein Mini-Physiklabor als Geschenk lohnen. In den letzten Jahren sind unzählige Experimentierkästen auf den Markt gekommen, die ungefährliche Experimente zu Hause erlauben. Sie beantworten spannende Fragen wie die, warum das Mineralwasser eigentlich sprudelt und wie sich aus Limonade Strom erzeugen lässt. Natürlich werden die Experimente nicht immer auf Anhieb funktionieren – hier ist etwas Geduld gefragt. Dass Kinder nur unter Aufsicht experimentieren sollten, versteht sich von selbst.
Die Biologie ist für die meisten Kinder die zugänglichste Wissenschaft. Sie interessieren sich für Tiere, wünschen sich oft sehnlichst ein Haustier und schauen den Insekten zu, die im Garten herumkrabbeln. Leider fällt auch die Biologie in der Schule oft unmotivierten Lehrern und schlecht ausgestatteten Schulräumen zum Opfer. Generationen von Schülern haben sich an der Drosophila melanogaster abgearbeitet, der kleinen Taufliege, die zu den am besten erforschten Organismen überhaupt gehört. Dabei wäre es so einfach, die Theorie mit der Praxis zu verbinden, zum Beispiel bei Spaziergängen in der Natur oder einem Besuch im Zoo. Nicht zuletzt findet sich die Biologie auch in der eigenen Nahrung wieder und von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu großen modernen Fragen wie der Gentechnik.
Kinder müssen Vorbilder haben
Die hübsche Popsängerin und der Profi-Fußballer haben bei Kindern natürlich einen höheren Stand als der Physik-Professor. Doch während die heutige Forschung vor allem in Laboren stattfinden, mussten Naturwissenschaftler früher unzählige Schwierigkeiten überwinden, um die Welt zu erforschen. Warum dem Kind nicht als Gutenacht-Geschichte statt von kleinen Vampiren und süßen Hexen einmal von den Weltreisen eines Alexander von Humboldt oder eines Charles Darwin erzählen und so gleich die Neugierde auf ferne Länder wecken? Natürlich gibt es auch zahlreiche weibliche Vorbilder. Wer weiß heute schon, dass der Vorläufer des heutigen Computers von einer Frau entwickelt wurde, der englischen Mathematikerin Ada Lovelace? Die gebürtige Polin Marie Curie trug sogar zweimal den Nobelpreis nach Hause: Einmal für Physik und einmal für Chemie. Diese viel zu wenig beachteten Damen sind zweifellos genauso interessante Vorbilder wie Disney-Prinzessinnen und Sängerinnen.
Die wichtigsten Vorbilder sind jedoch schlussendlich die eigenen Eltern: Wer das Interesse des Nachwuchses an den Naturwissenschaften wecken möchte, sollte mit gutem Beispiel voran gehen und sich selbst für diese Dinge interessieren. Da schaut die Tochter gerne mal dem Papa über die Schulter, der den kaputten Fernseher auseinandernimmt und eigenhändig repariert und der Sohn hilft der Mama im Garten beim Unkrautjäten, um gleichzeitig als kleiner Naturforscher nach Regenwürmern und Raupen zu suchen.
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