Es ist verständlich, dass eine Schwangere gegen Ende der Schwangerschaft die Nase voll hat. Nichts geht mehr einfach und doch will das Baby nicht kommen. Aber ist das Wehen Auslösen der richtige Weg?
Wehen auslösen: Hebammen kennen das Problem
Während Kinder auf einer Autofahrt häufig fragen: Wie lange dauert’s noch?, stellen werdende Mütter diese Frage schon vor der Geburt und nerven damit nicht selten ihre Hebamme. Die lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und gibt höchsten Tipps, wie sich Wehen auslösen lassen. Doch dazu sei gesagt: Der Mensch bekommt seine Kinder nicht auf den Tag genau!
Die Berechnung des voraussichtlichen Geburtstermins ist lediglich eine statistische Möglichkeit, das Ende der Schwangerschaftszeit vorauszusagen. Die Berechnung berücksichtigt keine Zyklusstörungen oder einen unregelmäßigen Zyklus. Es wird einfach von der durchschnittlichen Zykluslänge ausgegangen und ein Termin errechnet. Warum sollte sich das Baby genau an diesen Tag halten?
Nur wenige Prozent der Kinder kommen (meist zufällig) genau an diesem Tag auf die Welt. Dennoch sollen sich die werdenden Mütter verstanden fühlen: Gegen Ende der Schwangerschaft ist einfach alles anstrengend. Die Schuhe muss der Partner zubinden, beim Schlafen müssen mehrere Kissen den Bauch abstützen. Wer in der Badewanne liegt, kommt meist ohne Hilfe nicht wieder heraus und länger unterwegs sein geht auch nicht mehr. Die Beine schmerzen aufgrund von Wasseransammlungen und es muss immer eine Toilette in der Nähe sein!
Klar, dass so manche werdende Mutter über Möglichkeiten nachdenkt, wie sich Wehen auslösen lassen. Diese Maßnahmen sollten aber erst versucht werden, wenn der errechnete Geburtstermin tatsächlich erreicht wurde und das Baby altersgerecht entwickelt ist. Manche Babys brauchen einfach noch ein paar Tage! Die Hebamme sagt dann nicht selten, dass sich das Kleine noch putzen müsse. Fakt ist, dass den Anstoß für die Wehen das Kind selbst gibt. Es drückt sozusagen den Knopf dafür, dass die nötigen Hormone ausgeschüttet werden, mit denen die Wehen eingeleitet werden.
Wehen auslösen: Bewährte Methoden
Die Methoden, um Wehen auslösen zu können, sind nicht medizinisch unterlegt. Sie stammen aus Erfahrungswerten und wurden von Generation zu Generation überliefert. Natürlich ist klar, dass sich jemand daran erinnert, wenn die Wehen beispielsweise beim Treppensteigen eingesetzt haben und diesen Tipp dann an andere Eltern weitergibt, die dem Nachwuchs ein wenig auf die Sprünge helfen wollen.
Doch ob die Wehen nicht auch ohne das Treppensteigen zu diesem Zeitpunkt begonnen hätten, weiß niemand genau, immerhin lässt sich dies im Nachhinein nicht nachprüfen. Hierfür müssten empirische Erhebungen stattfinden, an denen mehrere Schwangere teilnehmen würden.
Eltern, die Wehen auslösen und den Geburtstermin selbst festlegen wollen, können aber zum Beispiel die folgenden Tipps ausprobieren:
- Treppensteigen
Manch einer meint, dass das Treppensteigen lediglich Schweiß fördern würde, außerdem wäre die Schwangere schneller erschöpft, wenn die Geburt tatsächlich beginnt. Manche Hebammen schwören aber darauf, ihre Schwangeren „auf Tour“ zu schicken, wenn der Geburtsvorgang nicht voranschreitet und die Wehen nicht stärker werden. Der Hintergrund ist, dass eine körperliche Belastung Wehen auslösen kann und das sogar in jeder Phase der Schwangerschaft! Es gibt tatsächlich Studien, die belegen, dass Frauen, die sich möglichst viel während des Geburtsvorgangs bewegen, eine leichtere und schnellere Geburt haben.
Aber diese Studien belegen nicht, dass sich der Geburtsvorgang damit auslösen lässt! Allerdings sind sich alle einig, dass das Warten in Rückenlage die schlechteste Möglichkeit sei, das Kind höflich dazu aufzufordern, doch bitte den Bauch zu verlassen. Hebammen sagen auch, dass hier die Schwerkraft nicht wirken würde. Mit dieser begründen sie den positiven Effekt von Bewegung: Das Kind würde quasi nach unten rutschen und verstärkt auf den Muttermund drücken. Allerdings muss dieser durch die entsprechenden Hormone weich und geburtsbereit sein.
Es ist also ein Wechselspiel zwischen Anstrengung und ohnehin vorhandener körperlicher Bereitschaft zur Entbindung. Solange das Treppensteigen nicht übertrieben wird, schadet es auf jeden Fall nicht.
- Hausmittel Himbeerblättertee
Viele Hebammen kennen ein altes Hausmittel: Himbeer- oder Brombeerblättertee. Die darin enthaltenen Wirkstoffe sollen den Muttermund weichen und damit wehenbereit machen. Ärzte widersprechen zwar und sehen keine tatsächlich messbare Wirkung in dem Tee. Schaden könne er aber auch nicht und würde höchstens bewirken, dass sich die Schwangere entspannt. Auch das sei eine gute Wirkung, denn der Körper kann Wehen leichter auslösen, wenn er entspannt ist.
Häufig sind Tipps zu weiteren Pflanzen zu finden, die als Tee aufgekocht die Wehen auslösen sollen. Gynäkologen sind weitgehend der Meinung, dass Eisenkraut, Ingwer und Nelke durchaus harmlos seien, doch ob und in welcher Dosierung welche Pflanze was bewirken kann, sei immer noch unklar. Außerdem: Wer die Schwangerschaft gesund verbracht und immer darauf geachtet hat, dass dem Baby kein Leid widerfährt, sollte nicht am Ende ein Risiko eingehen. Bis jetzt sei noch jedes Kind auf die Welt gekommen, meinen Hebammen gern!
- Tampon mit Nelkenöl
Hier gilt in besonderem Maße: Vorsicht bei der Anwendung von Wehenmitteln! Nelkenöl kann die Schleimhaut reizen und zu Pusteln und Brennen führen. Angeblich soll ein mit verdünntem Nelkenöl getränkter Tampon hilfreich, wenn es um die Anregung der Wehentätigkeit geht. Wer diesen Versuch wagen will, sollte sich unbedingt mit der Hebamme kurzschließen, wirklich empfehlenswert ist es laut Aussage vieler Ärzte jedoch generell nicht.
- Brustwarze massieren
Beim Massieren der Brustwarzen wird Oxytocin ausgeschüttet. Das Hormon ist das Stillhormon, welches auch dann ausgeschüttet wird, wenn das Baby an der Brust saugt. Es sorgt nicht nur für den Milchfluss, sondern nach der Entbindung auch dafür, dass die Nachwehen ausgelöst werden. Nicht umsonst klagen viele junge Mütter einige Tage nach der Geburt über Nachwehen immer dann, wenn sie das Kind stillen. Ob das Massieren nun einen Effekt hat oder nicht, ist nicht bestätigt. Ein Versuch lohnt auf jeden Fall!
- Wehencocktail
Der Wehencocktail beinhaltet zum Beispiel einen Fruchtsaft, der den Hauptbestandteil Rizinusöl geschmacklich überlagern soll. Die Einnahme von Rizinus soll die Darmtätigkeit anregen, welche sich wiederum positiv auf die Wehen auswirken soll. Allerdings können schwere Durchfälle ebenso die Folge sein wie Darmkrämpfe. Bisher ist noch nicht einmal bekannt, wie die optimale Dosierung aussieht.
Auch eine wirklich Wirkung ist nicht bestätigt. Das Problem ist zudem, dass beim Auslösen der Wehen durch Rizinus, sofern dieses Vorhaben klappt, besonders starke Kontraktionen die Folge sind. Viele Frauen berichten, dass sie nach der Einnahme von Rizinusöl unerträglich starke Wehenschmerzen gehabt hätten und unter Todesangst litten. Die Wehen ließen sich nicht kontrollieren, sie überrollten die Frau ähnlich wie ein Wehentropf, der allerdings dosierbar ist. Auf keinen Fall ausprobieren!
- Scharfes Essen und heiß baden
Auch scharfes Essen zielt darauf ab, die Darmtätigkeit anzuregen. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal das oft für längere Zeit die letzte Möglichkeit für das werdende Elternpaar ist, allein Essen zu gehen und die Zeit auch in Ruhe zu genießen. Hilft das scharfe Essen nicht, kann zusätzlich ein warmes Bad genommen werden.
Doch Vorsicht:
Wenn der Körper bereits wehenbereit ist, können die tatsächlichen Geburtswehen nun sehr schnell und heftig ausfallen. Außerdem kann der Blutdruck rapide absinken, die Frau wird ohnmächtig. Wichtiges Kriterium: Vorwehen werden beim Baden schwächer und nehmen ab, Geburtswehen verstärken sich, werden regelmäßiger und heftiger. - Wehen auslösen durch Mutterkorn
Mutterkorn ist ein giftiger Pilz, der zum Verderben von Getreide führt. Dieser Pilz wurde von alten Völkern zur Beschleunigung des Geburtsvorgangs genutzt. Allerdings kam es dabei immer wieder zu schweren Vergiftungen, denn die Konzentration des Mutterkorns konnte nur schwer abgeschätzt werden. Dann wurde nicht nur die Gebärmutter zur Kontraktion angeregt, es konnten sogar Hände und Füße bei Mutter und Kind abfallen. Heute nutzt die Geburtsheilkunde den Wirkstoff aus dem Mutterkorn, allerdings nur in kleinen Mengen und präzise dosiert.
Damit soll die Rückbildung der Gebärmutter nach der Entbindung unterstützt werden, außerdem lassen sich Nachblutungen stillen. Frauen dürfen diesen Wirkstoff aber nicht auf eigene Faust einnehmen, denn sie gefährden bei falscher Dosierung sich und ihr Kind.
- Sex und Prostaglandine
Im männlichen Sperma sind Prostaglandine enthalten. Diese wiederum sollen den Muttermund weich machen und damit dem Kind den Weg nach draußen erleichtern. Ob sich damit Wehen auslösen lassen oder nicht, ist umstritten. Denn es kann auch sein, dass der Muttermund einfach mit Wehen auf die mechanische Beanspruchung beim Sex reagiert oder dass das Kind sich ohne gerade auf den Weg machen wollte.
Prostaglandine sind auch im Wehentropf enthalten, den eine Frau beispielsweise dann bekommt, wenn die Wehen nachlassen oder überhaupt erst ausgelöst werden sollen. Dieses Hormon wird als Vorlage oder als Gel direkt an den Gebärmutterhals gebracht, wobei die Dosierung rund fünfmal höher als im männlichen Sperma ist. Der Wehentropf kann schrittweise in der Dosierung erhöht werden, bringt allerdings einen großen Nachteil mit sich. Wenn es gelingt und die Wehen lassen sich auslösen, dann können sie mitunter sehr stark ausfallen. Normalerweise sind sie gegen Ende des Geburtsvorgangs zwischen 45 und 60 Sekunden lang, dann folgt eine rund zweiminütige Pause. Unter Einfluss des Wehentropfs kann diese Pause auf 30 bis 60 Sekunden verkürzt werden oder es kommt sogar zu Dauerkontraktionen. Frauen empfinden dies als sehr schmerzhaft und kraftraubend, denn ihnen bleibt keine Pause zum Erholen und Kraftsammeln zwischen den Wehen.
Genereller Tipp: Vor dem Anwenden der Hausmittel sollte eine werdende Mutter mit der Hebamme Rücksprache halten und sich darüber erkundigen, ob der Einsatz des gewünschten Mittels in ihrem speziellen Fall überhaupt empfehlenswert ist. Vielleicht braucht das Kleine einfach nur noch ein paar Tage und mal ehrlich: Wer bis hierhin gekommen ist, schafft auch noch die wenigen Tage bis zum Beginn der natürlichen Geburt!
Viele Hebammen betreuen „ihre“ Frauen allerdings nur bis zum 10., maximal bis zum 14. Tag nach dem errechneten Geburtstermin, danach müssen sie sie an ein Krankenhaus zur Einleitung des Geburtsvorgangs überweisen. In einigen Fällen bieten sie den Frauen dann an, gegen Ende dieser Zeit die Wehentätigkeit auslösen zu können oder es wenigstens zu versuchen. Das gilt vor allem für die Frauen, die nicht im Krankenhaus entbinden wollen, sondern die sich lieber im Geburtshaus oder bei einer Hausgeburt sehen.
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